| Horst Bertsch. Foto: Sabine Schönberger (Bonny) |
Herr Bertsch, was versteht man unter einer Passion?
Bertsch: Da müssen wir zuerst den Begriff klären. Passion
heißt Leidensfähigkeit.
Und wer leidet? Die Partnerin? Die Familie?
Bertsch: Ja, manchmal auch. Zuerst aber ist Passion die
männliche Art von Ehrgeiz und Leidensbereitschaft, die Art, Dingen eine
übergeordnete Bedeutung zu geben.
Warum tun das mehr Männer als Frauen?
Bertsch: Vielleicht hat das einen völkerkundlichen
Hintergrund? Liegt es daran, dass Frauen neben ihrer originären Aufgabe, sich
um die Kinder und das Haus zu kümmern, nicht mehr so viel Zeit und Energie für
etwas Eigenes hat? Dass der Mann sich als Ernährer und Geldverdiener leichter
tut, Geld auch nur für sich auszugeben?
Oder sind Frauen einfach vernünftiger?
Bertsch: Männer haben vielleicht schon einen höheren
Spieltrieb als Frauen und sind eher geneigt, ihn auszuleben.
Also trifft der Spruch zu: Männer werden acht und dann nur
größer?
Bertsch: Irgendwie schon. Männer leben ihre kindliche Seite
oft exzessiver aus. In guten wie in schlechten Dingen.
Haben Frauen oft weniger Zeit für ihre Interessen?
Bertsch: Auch das mag gut sein. Der Mann hat Freizeit, wenn
wer freie Zeit hat. Die Frau heute ist berufstätig und kümmert sich danach um
Haus und Garten.
Aber warum?
Bertsch: Gute Frage: Wir haben kein Problem mit der
Vorstellung, dass der Mann
Sonntagmorgens Rennrad fährt oder mit seinem Motorrad eine Tour macht, während
sich die Frau daheim mit den Kindern auf dem Spielplatz vergnügt. Wir haben
aber das Gefühl, ein schräges Bild vor Augen zu haben, wenn wir daran denken,
das s die Frau eine Runde im Cabrio dreht, während der Mann daheim das Bad
putzt.
Aber Männer können stundenlang Auto putzen, will uns das
Vorurteil glauben machen?
Bertsch: Aber ein Mann würde nie mit der Leidenschaft Bad
und Toilette schrubben, wie er die Stoßstange poliert. Das hat etwas mit
detailverliebt zu tun.
Und ab wann ist eine Passion ungesund?
Bertsch: Für mich oder die Beziehung? Für mich, wenn es ins
Zwanghafte geht. Obsessivität ist in
der Sexualität oft zu beobachten. Da muss man dann fragen: Wo geht es auf Kosten
der Lust? Denn zwanghaft wird schon lustlos. Und dann ist da noch die
zwischenmenschliche Ebene, wo eine Passion ungesund werden kann. Nämlich dann,
wenn sie nicht mehr vereinbar ist mit anderen Bedürfnissen. Aber ob etwas
obsessiv betrieben wird, das ist auch abhängig von der Person. Es muss
stimmen. So wie Freunde im Laufe des Lebens wechseln, kann sich die Intensität
verändern, mit denen wir Dinge tun.
Warum aber finden wir weniger Frauen in
Kleintierzuchtvereinen oder bei den Modellfliegern?
Bertsch: Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Männer
Es-Typen sind, Frauen Du-Typen. Frauen haben kein Problem damit, mit anderen
Frauen am Tisch zu sitzen und einfach so zu reden. Männer brauchen ein Ding,
über das sie zusammen ins Gespräch kommen. Und daraus entwickelt sich dann oft
das Experten-Sein-Wollen. Dann reicht nicht mehr das einfache Tourenrad, um
zusammen durch die Gegend zu radeln, dann muss es ein Fully sein oder das
neuste Rennrad. So wird das Hobby zur Obsession.
Horst Bertsch (58) ist Psychotherapeut mit eigener Praxis in
Neuenstein (Hohenlohekreis). Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne
(29 und 25). Bertsch ist in Bad Friedrichshall (Landkreis Heilbronn) und hat in Regensburg Psychologie, Pädagogik
und Philosophie studiert. Bertsch hat im ZfP Weinsberg gearbeitet, ehe er für
die St. Josefspflege Mulfingen mit Jugendlichen arbeitete. Seit 1988 hat
Bertsch eine eigene Praxis und arbeitet auch als Supervisor.
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