Montag, 21. November 2016

Wein statt Schwein

Serie: Männer und ihre Passionen

Es hört sich fast so an, als ob Markus Busch von zwei Leben spricht, wenn er so von sich erzählt: Es gibt die Zeit als Landwirt und die Zeit als Winzer. In Jahreszahlen heißt das: vor und nach 2002. Damals hat er begonnen, selbst Wein auszubauen. Das macht der 38-Jährige zwischenzeitlich so erfolgreich, dass er auf Bundesebene als Winzer des Jahres ausgezeichnet wurde. Seither hat der Dimbacher, der zwischen September und Dezember nach eigenem Bekunden zwei bis vier Stunden pro Nacht schläft, noch mehr Termine. Doch abgesehen von den ersten grauen Fäden im dunklen Haar spürt man, dass er den Trubel auch genießt. Wobei er auch weiß, dass so Familie und Freizeit zu kurz kommen. Markus Busch ist es gewohnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun.
Reduziert So war das womöglich auch schon vor 2002. In seinem Leben vor dem Weinbau war Markus Busch gelernter Landwirt. Er arbeitete auf einem Betrieb mit Mutterschweinen, sieben Tage die Woche. Busch lernte zusätzlich zur Landwirtschaft Winzer und machte nach zwei Jahren in Weinsberg 2002 seinen Abschluss als Weinbautechniker. Zusätzlich zur Arbeit auf dem Hof und zur Ausbildung fuhr er Zuckerrübenlaster. „So hatte ich am Monatsende oft mehr Geld als ein Ausgelernter“, erinnert sich Markus Busch. Der Grund: Ihm fehlte schlicht und ergreifend die Zeit, sein Geld auszugeben.
Wein ist seine Passion, sagt Busch. Dazu kommt sein Ehrgeiz. Der Wunsch nach einem eigenen Weingut, der Wille, guten Wein zu machen, trieb ihn immer weiter und weiter an. Die ersten zwei, drei Jahre ließ Markus Busch die eigenen Trauben ausbauen, verkaufte den Wein im Besen, der damals 40 Plätze hatte. Das Geld wurde investiert in gebrauchte Maschinen. Der erste Wein wurde selbst gekeltert. Das Herz von Markus Busch schlägt für schwere Rotweine, wie man sie aus dem sonnigen Süden kennt. Deshalb ist er rigoros: Im Frühjahr werden die Triebe massiv ausgedünnt. Die Trauben, die dann noch reifen dürfen, sagt er, werden umso gehaltvoller. Bei der Ernte wird ausschließlich mit hiesigem Erntehelfern und zweifarbigen Eimern gearbeitet: „Meine Mitarbeiter müssen verstehen, welche Trauben sie abschneiden oder aussortieren sollen“, erklärt er, dass Qualität im Weinberg beginnt und nicht erst im Keller. Acht Hektar Rebflächen werden zwischenzeitlich bewirtschaftet. Vor allem Lemberger und Riesling wächst dort, aber auch Cabernettrauben (rot und weiß) und ein wenig Muskattrollinger, Regent und Gewürztraminer. Die Cabernet-Weine sind Züchtungen der Versuchsanstalt Weinsberg. „Ich brauche keinen Malbec“, setzt Busch auf die Charakteristik der Region.
Busch ist glücklich ist, seine Leidenschaft im zweiten Anlauf zum Beruf gemacht zu haben. Nicht nur, weil er lieber mit Trauben denn mit Schweinen arbeitet. „In der Landwirtschaft ist man heute gezwungen, über 1500 statt 500 Schweinen zu halten, um über die Runden zu kommen“, weiß Busch. Er lehnt Masse ab, will Qualität. Deshalb gibt es wohl den Besen („Gutes Essen zu kleinem Preis“) aber eben auch den Bahnhof Busch. Hier kommt statt der Schlachtplatte mit Kraut das Schweinsmedaillon mit Pfifferlingen auf den Teller. Zu jedem Gericht gibt es eine Weinempfehlung. Und auch das Publikum ist ein anderes. Während der Besen vor allem auch Menschen aus dem Haller Landkreis anzieht, bringt die direkt vor dem Bahnhof verlaufende S4 Gäste aus Heilbronn und Öhringen.
„Die Gastronomie ist mein Hobby“, erklärt Markus Busch, warum er jede freie Minute bei den Gästen ist. Die Kundschaft im Besen wird älter und kommt zunehmend mittags. Der Bahnhof mit den zehn Zimmern für und dem Restaurant öffnet erst am Abend. Dann, wenn der Tag vorüber ist und ein schwerer Rotwein ins Glas kommt. Dann sucht Busch den Austausch mit den unterschiedlichen Menschen („da kann man immer etwas davon lernen“) und erzählt im Gegenzug vom Wein.

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Paul Heyd: Autos sind seine Kinder

Große Leidenschaft Sammeln

Eine etwas andere Geschichte.



Früher, da sah man Paul Heyd oft über die Trödelmärkte schlendern. Frühmorgens, wenn noch wirklich das eine oder andere Schnäppchen bei den Händlern zu finden war. Zwischenzeitlich geht Paul Heyd im Internet auf die Jagd. Das liegt nicht  daran, dass Paul Heyd mit seinen zwischenzeitlich 82 Jahren bequemer geworden ist. Auch nicht an den unliebsamen Begleiterscheinungen des Alters, die dem einst stattlichen Mann 35 Kilo, längst aber nicht das Glänzen in den Augen geraubt haben. Nein. Es ist allein die Tatsache, dass es auf den lokalen Märkten kaum noch interessante Dinge zu finden gibt. „Wer etwas Gutes hat, der bietet es im Netz an“, erklärt Paul Heyd.
Eigentlich will er gar nicht mehr so viel. Der Platz wird eng in der Halle im Öhringer Industriegebiet. Hier stehen über 30 Automobile, die Geschichte schrieben. Manche Geschichten sind nur für Paul Heyd interessant. Wie die Geschichte seines ersten Autos, das er nach zehn Jahren Arbeit von seinem eigenen Geld kaufte. Zuvor war er Motorrad, eine Harley Davidson von 1925. Das war bei Wind und Wetter aber nicht immer ungefährlich. Erst sponserte der Vater einen kleinen Fiat. In den passte der große Paul aber kaum hinein. Und so kaufte er sich einen babyblauen Daimler 180. Das stattliche Gefährt Baujahr 1950 sticht noch heute aus der Reihe der sehenswerten Fahrzeuge heraus. Das liegt nicht allein an seiner prominenten Platzierung.  Man spürt, dass Paul Heyd mit diesem Auto besondere Erinnerungen verbindet. Für gerade einmal 800 Mark, erzählt er, hat er das Auto gekauft. Rostlöcher zwangen, eine Plastikplane in den Kofferraum zu legen, damit Zelt und Gepäck auf dem Weg zum Nordkap nicht schon vor dem Aufbau durchweichten. Das Gefährt hielt durch. 2010 hat Heyd die Tour im selben Auto wiederholt. Er hielt durch.




Überhaupt kann Heyd zu jedem Auto eine Geschichte erzählen. Und zu jedem der 100 Motorräder. Wertvoll ist vor allem die Sammlung seiner Email-Schilder („Wer hätte das damals gedacht?“). Anfangs sammelte er sie nur, um die kahlen Wände zu schmücken. Heute sind sie ein Vermögen wert. Ebenso die Glaskunst, die Heyd anfing zu sammeln, um den mitreisenden Damen im Museum etwas bieten zu können. „Doch die haben meist kein Auge dafür“, bedauert Heyd.
Er hatte immer ein Auge für das Besondere. Das sieht man an den Musiktruhen und vor allem den Koffern. Von Louis Vuitton sind große, mit Nägeln beschlagene Reisekoffer. So schön, dass das Herz höher schlägt. „In der Farbe orange, das war die Farbe der russischen Herrscherfamilie“, gibt es die Geschichte dazu.
Stunden kann Paul Heyd erzählen. Früher hat er das am liebsten am Eingang, unter den Emailschildern getan. Mit einem Zigarillo in der Hand. Das hat ihm der Arzt zwischenzeitlich verboten. Jetzt erzählt er die Geschichten ohne die Zigarillo. Dabei hat die so schön zu dem Emailschild gepasst, das die letzte Zigarre vor dem Pranger bewarb.  Der Humor von Paul Heyd beruht auf Understatement.
Unaufgeregt erzählt der Senior. Von seiner aktiven Zeit im Unternehmen, das von Bietigheim aus  erst in Kupferzell, dann Öhringen produzieren ließ. Viele Reisen zu Kunden und Geschäftspartnern habe ihm die Arbeit ermöglicht, hört man ihn sagen. Die Sekretärinnen wussten, dass sie die Reisen so legen mussten, dass eine Verlängerung über das Wochenende und damit ein Bummel über die Trödelmärkte der Welt möglich war. Und man hört heute noch die Dankbarkeit zwischen den Zeilen, die ihm sein privilegiertes Arbeitsleben ermöglicht haben.  Er musste sich nach niemandem richten. „Und ich musste anders als mein Bruder keine Söhne während des Studiums finanzieren.“ Stattdessen erweiterte sich die Sammlung. Stück für Stück. In der Spitze, erzählt Heyd, hatte er 54 Autos. „Zum Teil musste ich dafür Scheunen anmieten“, schüttelt er den Kopf. Deshalb wurden einige Autos verkauft. Drei sind trotz ihres hohen Alters auf der Straße. „Nur in die Stadt fahre ich mit denen nicht. Die haben so einen schlimmen Wendekreis“, schmunzelt Heyd.
Im Alltag führt Heyd Golf. Völlig unspektakulär. Und meist innerhalb der Verkehrsregeln. 60 Jahre sei  er ohne Unfall und Punkt gefahren. Bis vor zwei Jahren sogar mit dem Motorrad. „Und dann gab es einen Punkt wegen zu schnellen Fahrens“, ärgert sich Heyd. Einen anderen Rekord denkt er aber denkt er nicht zu brechen: „Im Golf bin ich 100 000 Kilometer ganz alleine gefahren.“ Ohne Frau und ohne Kinder. Aber sicher mit dem einen oder anderen Sammelstück im Kofferraum. Denn das ist seine Passion.  




Montag, 26. September 2016

Passionen

Horst Bertsch. Foto: Sabine Schönberger (Bonny)
Warum denkt man bei dem Wort „Passion“ vorzugsweise an Männer, die völlig verzückt ihrem Hobby nachgehen? Warum hat man eher das Bild eines Mannes vor Augen, der nächtelang am Computer sitzt oder aber Sonntage mit der Carrerabahn am Boden? Warum haben Frauen bestenfalls Hobbys  (Tennis) und Leidenschaften (Schuhe), aber keine Passion? Ein Erklärungsversuch mit Horst Bertsch, dem in Neuenstein lebenden Psychotherapeuten.
Herr Bertsch, was versteht man unter einer Passion?
Bertsch: Da müssen wir zuerst den Begriff klären. Passion heißt  Leidensfähigkeit.
Und wer leidet? Die Partnerin? Die Familie?
Bertsch: Ja, manchmal auch. Zuerst aber ist Passion die männliche Art von Ehrgeiz und Leidensbereitschaft, die Art, Dingen eine übergeordnete Bedeutung zu geben.
Warum tun das mehr Männer als Frauen?
Bertsch: Vielleicht hat das einen völkerkundlichen Hintergrund? Liegt es daran, dass Frauen neben ihrer originären Aufgabe, sich um die Kinder und das Haus zu kümmern, nicht mehr so viel Zeit und Energie für etwas Eigenes hat? Dass der Mann sich als Ernährer und Geldverdiener leichter tut, Geld auch nur für sich auszugeben?
Oder sind Frauen einfach vernünftiger?
Bertsch: Männer haben vielleicht schon einen höheren Spieltrieb als Frauen und sind eher geneigt, ihn auszuleben.
Also trifft der Spruch zu: Männer werden acht und dann nur größer?
Bertsch: Irgendwie schon. Männer leben ihre kindliche Seite oft exzessiver aus. In guten wie in schlechten Dingen.
Haben Frauen oft weniger Zeit für ihre Interessen?
Bertsch: Auch das mag gut sein. Der Mann hat Freizeit, wenn wer freie Zeit hat. Die Frau heute ist berufstätig und kümmert sich danach um Haus und Garten.
Aber warum?
Bertsch: Gute Frage: Wir haben kein Problem mit der Vorstellung,  dass der Mann Sonntagmorgens Rennrad fährt oder mit seinem Motorrad eine Tour macht, während sich die Frau daheim mit den Kindern auf dem Spielplatz vergnügt. Wir haben aber das Gefühl, ein schräges Bild vor Augen zu haben, wenn wir daran denken, das s die Frau eine Runde im Cabrio dreht, während der Mann daheim das Bad putzt.
Aber Männer können stundenlang Auto putzen, will uns das Vorurteil glauben machen?
Bertsch: Aber ein Mann würde nie mit der Leidenschaft Bad und Toilette schrubben, wie er die Stoßstange poliert. Das hat etwas mit detailverliebt zu tun.
Und ab wann ist eine Passion ungesund?
Bertsch: Für mich oder die Beziehung? Für mich, wenn es ins Zwanghafte geht. Obsessivität  ist in der Sexualität oft zu beobachten. Da muss man dann fragen: Wo geht es auf Kosten der Lust? Denn zwanghaft wird schon lustlos. Und dann ist da noch die zwischenmenschliche Ebene, wo eine Passion ungesund werden kann. Nämlich dann, wenn sie nicht mehr vereinbar ist mit anderen Bedürfnissen. Aber ob etwas obsessiv betrieben wird, das ist auch abhängig von der Person. Es muss stimmen. So wie Freunde im Laufe des Lebens wechseln, kann sich die Intensität verändern, mit denen wir Dinge tun.
Warum aber finden wir weniger Frauen in Kleintierzuchtvereinen oder bei den Modellfliegern?
Bertsch: Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Männer Es-Typen sind, Frauen Du-Typen. Frauen haben kein Problem damit, mit anderen Frauen am Tisch zu sitzen und einfach so zu reden. Männer brauchen ein Ding, über das sie zusammen ins Gespräch kommen. Und daraus entwickelt sich dann oft das Experten-Sein-Wollen. Dann reicht nicht mehr das einfache Tourenrad, um zusammen durch die Gegend zu radeln, dann muss es ein Fully sein oder das neuste Rennrad. So wird das Hobby zur Obsession.


Horst Bertsch (58) ist Psychotherapeut mit eigener Praxis in Neuenstein (Hohenlohekreis). Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne (29 und 25). Bertsch ist in Bad Friedrichshall (Landkreis Heilbronn)  und hat in Regensburg Psychologie, Pädagogik und Philosophie studiert. Bertsch hat im ZfP Weinsberg gearbeitet, ehe er für die St. Josefspflege Mulfingen mit Jugendlichen arbeitete. Seit 1988 hat Bertsch eine eigene Praxis und arbeitet auch als Supervisor.